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Frei zur Wahl: Sadomasochismus oder lingua latina

Schon seit Jahren bin ich nicht mehr ganz auf dem Laufenden. Als alle Zeitgenossen Krawatten wie dünne Stricke trugen, sah meine wie ein Brustpanzer aus. Als ich endlich im Besitz eines schlichten, schmalen Schlips war, waren die breiten wieder in Mode.

Das nur zur Einleitung. Und nun zum Fenster, um mich weit über den Abgrund hinauszulehnen. Denn heute möchte ich ein Buch empfehlen, das mich schon wieder zu einer Lachnummer machen könnte. Ich riskiere damit meinen Ruf als harmlosen Exzentriker noch mehr zu entwerten wie bisher – wenn das überhaupt möglich ist: Heute möchte ich nämlich über ein Buch in lateinischer Sprache ins Zucken geraten.

Sind Sie noch da, liebe Leser? Oder habe ich Sie mit meinem öden Geschwätz schon jetzt in die Hände der Konkurrenz vertrieben? Bei YouTube gibt es, so höre ich, ein tolles Video, das einen niedlichen kleinen Hund zeigt, der seine Notdurft in eine Teetasse verrichtet. Man weiß nie, wohin der nach Nervenkitzeln hungrige Surfer abdriftet, wenn der Geduldsfaden reißt.

Oder man (bzw. frau) klickt auf eine Seite, wo man/frau in den Genuss einer Leseprobe von „Shades of Grey“ kommt. Sie wissen schon (wahrscheinlich besser als ich): die neue Bücherreihe, über eine Frau, die einem respektlosen Halunken mit überdimensionalem Libido zuliebe vierzig Jahre Frauenbewegung über Bord wirft.

Nebenbei: Als ich auf die Idee kam, „Shades of Grey“ in dieser Glosse zu erwähnen, fiel mir der Name nicht ein. Was tat ich? Ich googelte folgende englischsprachige Begriffe: „sado-masochistic book“ und „bestseller“. Prompt leuchtete „Shades of Grey“ auf dem Bildschirm.

Wer braucht ein Gedächtnis, wenn man das Internet und einen funktionierenden Browser hat?

Aber jetzt zu meiner Empfehlung, die freilich nur denen gilt, die Lateinisch Kenntnisse haben bzw. auffrischen möchten. Oder vielleicht Sind Sie Elternteil eines Schülers bzw. einer Schülerin, der/die Latein auf dem Lernprogramm hat.

Ich selbst kam ganz zufällig zum besagten Buch. Meine Frau arbeitet nämlich bei einem Verlag und begutachtet beinahe täglich den dortigen „Grabbeltisch“, wo die Lektoren auf laufenden Band Bücher zur kostenlosen Mitnahme hinterlegen. Eine schöne Einrichtung. Für meine Frau ist der „Grabbeltisch“ (ich möchte fast „Krabbeltisch“ schreiben) zu einer Sucht geworden, was sich allerdings diesmal für mich als Glücksfall herausstellte.

Und jetzt komme ich zu „Diarium Rubeculi“ – zu Deutsch „Robinsons Tagebuch“, erschienen zweisprachig bei dtv.

Es handelt von einem Engländer namens Robinson (Rubeculus), der auf eine Schifffahrt nach Lateinamerika Schiffbruch (naufragium) erleidet. Er ist der einzige Überlebende. Das Wrack des Schiffes (fragmenta navis) liegt unmittelbar vor der Küste einer einsamen Insel. Der gerettete Matrose (nauta) kann also Vorräte vom Schiff holen, um sich auf der Insel gemütlich einzurichten. Außerdem hat er als Gesellschafter den Schiffshund, „Jacky“ (Jacco).

Der Witz ist: Da Robinson wusste, dass das Schiff Kurs auf Lateinamerika nehmen würde, hatte er vorsorglich ein lateinisches Wörterbuch mitgebracht, um sich mit dessen Hilfe mit den Lateinamerikanern besser zu verständigen. Nun führt er sein Tagebuch als einsamer Schiffsbrüchiger auf Lateinisch. Er möchte es den Lateinamerikanern, falls sie sein Tagebuch finden, leichter machen. Schöner Einfall, nicht wahr?

Ich werde hier Robinsons aufregende Abenteuer nicht verraten. Wer sie liest, wird diese selbst entdecken. Fest steht aber: Die Sprachebene des Lateinischen ist ziemlich einfach. Wer Basiskenntnisse hat, kann ziemlich fließend lesen. Ein Erfolgserlebnis ist also vorprogrammiert. Außerdem wird eine Übersetzung - gut für die kniffligen Stellen – mitgeliefert. Last but not least findet man auf den letzten Seiten ein Wörterverzeichnis.

„Shades of Grey“ wird längst mal Geschichte sein und die tollsten YouTube Videos werden wie alles Kurzlebige in Vergessenheit geraten. Die lateinische Sprache hingegen, Fundament der europäischen Kultur, bleibt uns lange als unentbehrliche Quelle erhalten. Hier eine nette Gelegenheit in die alte Sprache neu einzusteigen. P.J. Florum Vallis, Linguae Bloggorius.

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