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Nüchterne Überlegungen zum 21. Dezember 2012 (Sie wissen schon: Bum! oder Zack!)

Es gab einmal einen jungen Mann namens Ned Ludd.

Vielleicht kennen Sie den Namen. Seine Anhänger werden in der deutschen Sprache als „Ludditen“ bezeichnet – so habe ich es jedenfalls in Wikipedia gelesen – , und man bezichtigt diese Leute des „Luddismus“.

Woher Wikipedia diese Wörter hat, weiß nur der Autor des Artikels. Mein Duden kennt jedenfalls weder „Ludditen“ noch „Luddismus“.

Es ist ohnehin ungewiss, so Wikipedia, , ob besagter Ned Ludd jemals gelebt hat.

Was ich jedoch mit Sicherheit weiß: „luddite“ und „luddism“ sind beide ganz normale englische Vokabeln und werden tatsächlich von diesem Ned Ludd abgeleitet.

Der Legende (bzw. der Geschichte) nach packte der wutschnaubende Ned Ludd 1779 eine Axt und hackte auf zwei Strickmaschinen ein, damals neue, fortschrittliche Maschinen für die Herstellung von Strümpfen – Maschinen, die Strümpfe viel schneller als jeder Stricker bzw. Strickerin stricken konnten.

Ned Ludd geht in die Geschichte ein, so die Story, als eine Art Robin Hood, der durch seine kühne Aktion, gegen den Abbau von Arbeitsplätzen protestieren wollte.

Bis heute weiß aber niemand, ob er jemals wirklich gelebt hat. Er wurde dennoch am Anfang des 19. Jh. in England zum Vorbild für die wutschnaubenden Gegner der Industriellen Revolution. Die damaligen „luddites“ pflegten, wie einst Ned, die neuen automatischen Webstühle usw. mit Äxten kurz und klein zu hacken.

Irgendwie verständlich. Wer möchte wissen, dass man durch eine Maschine (damals ein skelettartiges Konstrukt aus Holz, Schrauben und etwas Strick) überflüssig gemacht werden könnte.

An Ned Ludd dachte ich neulich auf der Bank, als ich die Kassiererin fragte, die mir zeigte, wie ich alle üblichen Bankgeschäfte am Bankautomaten tätigen könnte: „Werde ich Sie nicht überflüssig machen, wenn ich das maschinelle Angebot stets in Anspruch nehme?“

„Nein, nein“, antwortete sie. „Schließlich haben wir unsere Arbeitssicherheit.“

Hmmm.

Nein, hier kein Predigt über die Gefahren des Fortschritts. Außerdem bin ich als Webseite-Betreiber mit Sicherheit kein Luddite. „Maschinenstürmer“ heißt das übrigens auf Deutsch. Ich bin trotzdem kein begeisterter Glücksreiter des Fortschritts.

Ich bin halt Realist. Und da ich in den historischen Texten bewandert bin, weiß ich, dass nach jedem Heute ein Morgen folgt. Oje. Wie peinlich. Hilfe! Alarm! Binsenweisheiten auf dem Vormarsch!

Neuer Gedanke: Meine Frau ist passionierte Leserin der Süddeutschen Zeitung. Ich hingegen bestelle diese Zeitung jedesmal ab, wenn meine Frau verreist ist. Heute erzählte sie mir, dass die SZ, laut ihrer Freundin M., in großen finanziellen Problemen steckt.

„Kein Wunder“, antwortete ich. „Die Werbeeinnahmen sacken ab. Das gilt nicht nur für die SZ, sondern für viele Printerzeugnisse.“

„Du sagst das mit einer gewissen Süffisanz. Ich weiß, dass du die SZ nicht magst…“

„…nein. Ich sage es, weil das Management der Printmedien, seitdem es den Computer gibt, immer ratloser wird. Es versäumt keine Chance, eine Chance zu versäumen. Die Visionären im eigenen Haus wurden längst auf die Straße gesetzt, weil sie zu viel verdienten. Man investierte lieber in teuren Finanzberater, die stets ahnungslos waren.“

Naja. Ich will dieses Gespräch nicht in die Länge ziehen. Da die Welt am 21. Dezember ohnehin aufhört zu existieren, hat sich das Thema Zeitungssterben von allein erübrigt.

Allerdings habe ich am 21. Dezember einen Termin bei meiner Physiotherapeutin um 15h, und da möchte ich, weil ich Rückenschmerzen habe, unbedingt hin. Die Welt darf also an diesem Tag nicht untergehen, oder es darf erst nach 16h untergehen. Schließlich will ich meine Massage bekommen. Bedenken Sie aber: Wenn es 15h in München ist, ist in Japan längst der 22. Dezember. Wie kann die Welt am 21. Dezember untergehen, wenn es irgendwo bereits der 22. Dezember ist?

Alles sehr kompliziert. In einer globalisierten Welt ist auch der Weltuntergang keine schlichte Sache mehr wie in den guten alten Zeiten, als Ned Ludd lebte…oder nicht.

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