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Mit Hängen und Würgen etc. – über ein paar Tote und übers Geschäft

Der Tod durch Erhängen erfolgt langsam oder schnell.

Wenn der Todeskandidat durch die Falltür stürzt, wird die Halswirbelsäule schleunigst durchtrennt. Der Tod tritt sofort ein. Nicht hübsch anzusehen, dafür aber schnell. Wird einer – wie zum Beispiel im Iran – rückartig von einem Kran hochgezerrt, dann kann es passieren, dass der (oder die!) Gehenkte erst nach Minuten erstickt.

Am Londoner Tyburn-Galgen, der bis 1783 am Anfang der Oxford Street nahe Hyde Park stand, wurde das verzweifelte Treten der Beine des erstickenden Gehenkten als „die Tyburn Gigue tanzen“ (dancing the Tyburn jig) beschrieben.

Ich habe keine genauen Informationen darüber, wie Hashem Shabani und Hadi Rashedi gehenkt wurden: ob vom Kran – oder ob sie auf dem Dach eines Wagens standen, und die Schlinge um den Hals an einer Ampelanlage befestigt war. Man wartet und wartet. Dann fährt Wagen ab und zack!

Fest steht: Den Berichten zufolge schieden beide aus dem Leben wegen: „moharebeh“ (Gotteshass) und „mufsid-fil-ars“ (Korruption auf Erden) – Kapitalverbrechen in ihrer iranischen Heimat.

Beide Hingerichtete zählten zur Ahwasi-Minderheit, einer Arabisch sprechenden Bevölkerungsgruppe im Iran. Offensichtlich hatte Shabani in seinem Blog die Behandlung von Minderheiten in seinem Land etwas zu leidenschaftlich kritisiert. Er war übrigens Lyriker.

Vielleicht deshalb, ich meine, weil er Lyriker war, hat mich sein Schicksal so gerührt. Lyriker hegen stets eine Schwäche für Berufskollegen. Im Iran, so habe ich im WehWehWeh gelesen, wurden in den letzten Jahren, sogar viele Lyriker als vermeintliche Umstürzler hingerichtet.

In China werden vermeintliche Umstürzler wegen des Inhalts eines kühnen Blogs – so weit wir informiert sind – nicht mehr hingerichtet, sondern ins Gefängnis gesteckt.

Übrigens: Über Shabani und Rashedi erschien arg wenig in den westlichen Medien.

Dafür hingegen sehr viel über den Tod vom Schauspieler Philip Seymour Hoffman, der wegen einer Drogenüberdosis aus dem Leben schied. Da ich seit Jahren selten ins Kino gehe, war mir Hoffman kein Begriff. Die Medien heben gern bestimmte Lieblingstote hervor: Elvis, Michael Jackson, Eisbär Knut…Publikumslieblinge halt.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Es tut mir wirklich leid, dass Elvis, Michael Jackson und Knut nicht mehr unter uns weilen. Es tut mir auch leid, dass Philip Seymour Hoffman gestorben ist.

Doch wenn Menschen hingerichtet werden, weil sie Blogger, Poeten, gewaltlose Aktivisten, Homosexuelle oder schutzlose Geiseln sind, tut es mir noch mehr leid – vor allem, wenn kaum einer davon erfährt.

Im Augenblick betreibt der Iran eine Kuschelpolitik mit dem Westen. Nichts dagegen einzuwenden. Der neue Präsident Rouhani wirkt sympathisch und pflegt dieses Image sehr. Aber wer weiß? Hätten die Medien mehr über die Ahwasi-Aktivisten berichtet, wären die zwei vielleicht noch am Leben.

Oder vielleicht ist die Zeit einfach ungünstig, um auf solchen Dingen zu beharren. Schließlich geht es um die Öffnung von neuen Märkten. Auch ein Grund, weshalb auf Regierungsebene im Okzident nur kleinlaut gegen die Verhaftung von Xu Zhiyong protestiert wird.

Wer möchte, dass ein paar Tote die Geschäfte kaputtmachen?

Okay. Ich gebe zu. Ich grantele heute ein bisschen.

Es gibt aber solche Tage. Außerdem: Mir tun die Opfer eines Unrechts immer leid. Mir tun aber gleichwohl ihre Richter und ihre Henker leid…denn sie wissen nicht, was sie tun…

In eigener Sache: Pause jetzt bis Anfang März – bin auf Weltenreise.

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