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Briefe schreiben – kurze Einleitung für Unschlüssige

Sprachbloggeur: Was darf’s sein: Ebola oder ISIS?

Leser: Nein, lieber Sprachbloggeur, heute möchte ich erfahren, wie man einen Brief schreibt.

Sprachbloggeur: Einen Brief? Oder meinen Sie eine Mail?

So in etwa verlief der innere Monolog, der dieser Glosse vorausging. (Der kreative Prozess ist immer sehr verzwickt. Man kann nie wissen, woher die Impulse kommen wird).

Doch bevor ich dieses knifflige Thema angehe, zuerst ein paar Worte über meine Dauerfrust: die deutsche Sprache. Helfen Sie mir, liebe Muttersprachler: Heißt es die oder das Mail?

Seit Jahren bilde ich mir ein, dass es „die“ Mail lautet. Außer man ist Schweizer. Die sagen „das“ Mail – ebenso manche Österreicher. Doch neuerdings höre ich auch von manchen Deutschen „das“-Mail. Hilfe!
Aber zurück zum Thema: der Brief.

Es gab einmal eine Zeit, als man in der Grundschule lernte, wie man Briefe gestaltet: Oben links der Absender (in Amerika oben rechts), darunter Name und Anschrift des Angeschriebenen, darunter weit rechts Ort und Datum und darunter weit links die Ansprache. Beim geschäftlichen Brief sprach man den Angeschriebenen mit „sehr geehrter“ – die Angeschriebene mit „sehr verehrte – an. Am Schluss hieß es „Mit freundlichen Grüßen“ oder noch feudaler: „hochachtungsvoll!“. War der Brief für eine/n Freund/in, so hieß es „liebe/r soundso“. Am Schluss schrieb man: „herzliche Grüße“, „schöne Grüße“, “liebe Grüße“ oder noch inniger „Alles Liebe“ oder „herzlichst“.

(Auf Englisch: „Dear soundso“. Bei privaten Briefen durfte man Anschrift und Absender weglassen. Am Ende des Briefes empfahl man sich mit „sincerely“, „sincerely yours“ oder „with best wishes“ – und an Freunde „cheers“, „love“ oder „affectionately“). Fertig.

Ja, die Welt war viel einfacher. Es gab weder Ebola noch ISIS, dafür aber feststehende Formen beim Briefeschreiben.

Das war damals. Heute schreibt kaum jemand noch Briefe– außer an Behörden, wo die alten Formen (zumindest von älteren Beamten) noch immer verlangt werden. Heute schickt man lieber Mails. Menschen aus dem Briefzeitalter schreiben freilich – auch in ihren Mails – weiterhin „liebe/r soundso“ oder geschäftlich „sehr geehrte/r soundso“ (auf Englisch „dear so and so“). Man kann sich das alles verständlicherweise schwer abgewöhnen.

Am Schluss die übliche: „liebe Grüße“, „herzliche Grüße“, „freundliche Grüße“, „mit freundlichen Grüßen“, „Grüße“, „Gruß, usw.

Eine Regel muss man allerdings im Emailzeitalter strengsten einhalten: Man Antwortet eine Mail niemals mit dem gleichen Abschiedsfloskel der empfangenen Mail. Schreibt der andere „herzliche Grüße“, dann obliegt es einem, mit „schöne Grüße“, „einen herzlichen Gruß o.ä. zu antworten.

Wer jünger als dreißig ist, kennt das Briefeschreiben vielleicht gar nicht. Er weiß womöglich nicht, wo man wohl auf einem Briefumschlag die Anschrift platziert oder wohin mit der Briefmarke. Diese Menschen gestalten ihre Mails – wen wundert’s – nach anderen Regeln. Zum Beispiel ohne Ansprache, oder mit einem „Hallo“ oder „Hi“ – dies auch bei geschäftlichen Mails: “Hallo Herr Sprachbloggeur“. Und wenn es formell klingen soll, dann schließt man mit „mfg“ – manchmal auch mit „liebe Grüße“. Wenn es ein bisschen freundlicher (und geschäftlich) klingen soll, fügt man einen Wetterbericht hinzu: „Liebe Grüße aus dem nebligen Aachen“.

Übrigens: Auch in englischsprachigen Mails verschwindet das altgediegene „dear“. Die meisten schreiben: „Hi Sprachbloggeur“. Und am Schluss heißt es „happy trails“ (einst der Titel eines Cowboylieds).

Wie es bei Whatsapp, Facebook usw. aussieht, kann ich leider nicht sagen. Bin nicht dabei. Vielleicht wie beim Simsen, also äußerst knapp und reichlich mit Emotikönen und Kürzeln versehen. SMS- und Twitterdienste haben uns ohnehin beigebracht, dass man fast alles in weniger als 150 Zeichen erzählen kann.

Auch ernste Dinge, z.B., Ebola und ISIS – und vielleicht auch die Ukraine.

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