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Alaaf akbar

Liebe Herr Terrorist, liebe Frau Terroristin, bitte nicht gleich aus der Haut fahren. Hier dürfen sie keine Gotteslästerung wittern. Hier nur ein kleines, harmloses Wortspiel. Noch nie von Wortspielen gehört? Man rückt ähnlich lautende Vokabeln zusammen, um dadurch eine neue Deutungsebene zu schaffen. Voilà! Das Ergebnis heißt in unserer Sprache „Ironie“. An sich eine harmlose Sache, glauben Sie’s mir. Im Übrigen wird diese Ironie oft verwendet, wenn man nach einem wenig gefährlichen Ventil sucht, um seine Fassungslosigkeit oder Wut oder Hilflosigkeit Ausdruck zu verleihen. Eigentlich ein gesunder Vorgang. Er ermöglicht, dass man in Augenblicken der dunkelsten Verzweiflung, anstatt gleich zum Kalaschnikow zu greifen, das Lachen nicht verlernt.

Probieren Sie‘s mal.

Sie haben’s wohl erraten. Ich denke noch an Braunschweig, wo wegen Hinweise auf eine „konkrete Gefährdung“ der Rosenmontagsumzug abgesagt wurde. Und ich denke ebenfalls an den „Charlie-Hebdo“-Wagen, der am Rosenmontag in Köln, um keine Gefühle zu verletzen, im Depot bleiben musste. Eigentlich bin ich ein Faschingsmuffel. Ich denke trotzdem mit Mitgefühl an die Enttäuschung der Jecken.

Sie wiederum, lieber Terrorist, liebe Terroristin, fühlen sich frei, Gefühle, ja sogar Körperteile anderer, zu verletzen – als stünde ein Recht auf dieses ungebührliche Benehmen schwarz auf weiß in einem Gesetzbuch.

Schämen Sie sich.

Übrigens: Wissen Sie was „akbar“ bedeutet? Ich frage nur, da man nicht sicher sein kann, wie tief Ihre Kenntnisse der arabischen Sprache reichen. Falls ich mit meiner Vermutung ins Schwarze treffe, hier ein bisschen sprachliche Nachhilfe von einem leidenschaftlichen Sprachennarren.

Wir fangen simpel an. Auch im Arabischen gibt es Adjektive: z.B., „kabir“, das „groß“ bedeutet, „dschadid“ („neu“), „dschamil“ („schön“) usw. So weit so gut. Doch nun wird‘s a bisserl komplizierter. Denn es geht um die Steigerungsform des arabischen Adjektivs, auf Arabisch„Elativ“ genannt. Dieser Elativ wird durch die Anfügung des Präfixes „a“ und eine Vokaländerung im Inneren des jeweiligen Adjektivs gebildet. Aus „dschadid“ („neu“) wird „adschdad“, aus „dschamil“ („schön“) „adschmal“. Aus „kabir“ wird eben „“akbar“. Der „Elativ“ ist übrigens aus einem anderen Grund interessant. Es kann nämlich verschieden übersetzt werden: mal als Komparativ (also „schöner“, „neuer“, „großer“), mal als Superlativ („schönste“, „neuste“, „größte“). Manchmal wird der Elativ sogar mit „sehr“ übersetzt – etwa: „sehr schön“, „sehr neu“, „sehr groß“. Alles klar?

Wenn ein Arabisch Sprechender „allahu akbaru“ (so die klassische Schreibart mit „u“ am Schluss) deklariert, meint er damit selbstverständlich „Gott ist der Größte“, einen Superlativ also. Ist doch logisch.

Bei „alaaf akbar“ hingegen ist es anders. Ein Arabisch Sprechender versteht in diesem Fall etwas wie „alaaf“ ist großartig oder sehr groß o.ä.

Quod erat demonstrandum also, liebe Terroristen und Terroristinnen: keine Spur von Gotteslästerung. Nur ein ironisches Wortspiel, um eine Karnevalenttäuschung Ausdruck zu verleihen.

By the way: Was bedeutet „alaaf“? Tatsache ist: Keiner weiß es so ganz genau. Manche vermuten, dass diese Vokabel im Kölner Platt etwas wie „alle ab(seits)“ heißen könnte. Mit „alaaf!“ wäre wohl dann gemeint: Macht Platz, der Narrenzug ist unterwegs! Vielleicht stimmt das auch. Oder vielleicht hat das Wort etwas mit „alle auf“ zu tun – ähnlich dem bayrischen „auf geht’s!“? Keine Ahnung.

Warum heute diesen komplizierten, gelehrten Aufsatz? Etwa weil ich Angst hätte, jemand könnte mein Wortspiel sonst in die falsche Kehle bekommen? Nein, das wäre wirklich kaum möglich. Es geht um anderes:

Ich denke eher an diejenigen, die vergessen haben, dass der Humor – auch wenn er manchmal dämlich ist – eine göttliche Gabe ist. Ja, das mein ich wirklich.

Wissen Sie, was passiert, wenn er verschwindet der Humor? Ein Beispiel:
Am Führerhauptquartier auf der Wolfschanze fragte Hitlers Hoffotograf Heinrich Hoffmann zu Tisch Folgendes: „Warum ist der Schwanenhals so lang?“

Gespannt harrte der Diktator der Antwort…“Damit der Schwann nicht absäuft!“, setzte Hoffmann fort.

Hitler, so steht es in den „Tischgesprächen“, lachte so herzhaft, dass er seine Augen mit der Hand verdeckte.

So sieht das Lachen in einer Diktatur aus…

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