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He, Sprachbloggeur, warum gibt es so viele Sprachen auf der Welt?

Ich saß in dem „49igen“ (Straßenbahn, versteht sich) , der von Hütteldorf über die Märzstraße zur Wiener Ringstraße fährt, und schaute seelenruhig aus der Fensterscheibe auf die hübschen Gassen.

Achtung! Ist jemandem im obigen Satz ein Fehler aufgefallen? Ja, natürlich. Wieso schreibt der Sprachbloggeur „in dem 49igen“, wenn es „in der 49igen“ heißen muss?

Nicht in Wien. Dort ist die 49ige tatsächlich der 49ige.
Und zwar deshalb, weil die Wiener an „Wagen“ und nicht an „Straßenbahn“ denken, wenn sie von ihren Öffis“ reden.

Doch zurück zum 49igen. Während der Wagen um eine Kurve quietschte, tönte plötzlich eine Ansage: „Bitte seien Sie achtsam: Überlassen Sie Ihren Sitzplatz Behinderten, Schwangeren…“

„Bitte seien Sie achtsam“. Niedlich, dachte ich. Und dann las ich auf einer kleinen, bunten Anzeige neben der Fensterscheibe: „Bitte sich festzuhalten“ und daneben erspähte ich wieder eine Anzeige. Den Wortlaut hab ich leider vergessen. Es ging darum, dass Hunde „Beißkörbe“ zu tragen hätten.

Alles nur Kleinigkeiten. Vielleicht deshalb fallen sie auf. Oder Im Eingangsbereich unseres Hauses hing ein Anschlag von der Hausverwaltung: „Wir ersuchen Sie, die Kellertür zuzuschließen“. Ersuchen. Wow. Auf einem zweiten erfuhr ich, dass der „Rauchfangkehrer“ für nächste Woche bestellt sei. Zum Glück gibt es im Haus einen Lift, dachte ich, sonst muss er die „Stiege“ bis nach ganz oben erklettern.

In der Apotheke händigte ich der Apothekerin meinen „Besorgerschein“ für das Medikament, das ich abzuholen hatte. Dann erhielt ich samt Arznei den „Kassabon“.

Doch man versteht immer, was gemeint ist. Und die paar wirklich fremde Vokabeln, etwa „Powidl“ (Pflaumen), „Ribisl“ (Johannisbären), „Paradeiser“ (Tomaten), „Erdäpfel“ (Kartoffeln), „Kren“ (Meerrettich) verinnerlicht man schnell.

Lediglich wenn einer mit seinem Wiener Dialekt loslegt, kann es mit der Verständigung mal happig werden (weniger allerdings für den Bayer). Gleiches Phänomen gilt natürlich für die Schweiz und für Luxemburg (ebenso für Bayern oder fürs Schwabenland). Die Lokalsprache ist oft unverständlich für den deutschsprachigen Besucher. Trotzdem sind alle der Meinung, sie sprechen Deutsch. Und es stimmt. Denn alle teilen neben ihrer Lokalsprache eine überregionale Schriftsprache, die überall denselben Sprachregeln unterliegt und von daher vereinigt.

Es kann auch anders werden. Urdu und Hindi, zum Beispiel. Eigentlich ist das dieselbe Sprache. Nur: Urdu wird in Pakistan gesprochen, wo die meisten Menschen Muslime sind, während Hindi in Indien, wo die Mehrheit hinduistisch ist. Mittlerweile hat Urdu viele Wörter aus dem Arabischen und dem Persischen übernommen, die es im Hindi nicht gibt. Hindi Sprechende hingegen benutzen Begriffe aus dem Sanskrit. Diese verstehen die Urdu Sprecher nicht. Um die Sache weiter zu verkomplizieren: Hindi und Urdu werden mit sehr unterschiedlichen Schriften geschrieben.

Oder Serbisch und Kroatisch. Auch in diesem Fall handelt es sich um dieselbe Sprache. Nur: Die Serben gehören größtenteils der Ostkirche, während die Kroaten katholisch sind. Dazu erschwerend: Serben und Kroaten sind sich leider spinnefeind (zum Glück nicht alle). Man gibt sich dennoch Mühe, unterschiedliche Vokabeln zu verwenden, damit die Sprachen zunehmend auseinanderwachsen.

Oder Tschechisch und Slowakisch. Diese waren schon immer zwei nahverwandte Dialekte – wie’s Ober- und Niederbayrische. Jede wird trotzdem als getrennte Sprache gehandhabt. Die gleichen Wörter werden sogar unterschiedlich buchstabiert – um die Unterschiede zu betonen. Solange Tschechen und Slowaken in einem Land namens Tschechoslowakei lebten, haben sie sich gegenseitig sprachlich verstanden. Nun sind sie zwei Länder geworden und wirklich zwei Sprachen. Ich habe neulich gelesen, dass junge Tschechen und Slowaken es mittlerweile mit der gegenseitigen Verständigung viel schwerer haben als ihre Eltern.

Nun wissen Sie, warum es so viele Sprachen auf der Welt gibt.

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