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Frank Sinatra, Justin Bieber, Google® und ich – oder Ruhm hat seinen Preis

Ich war im Leben bisher zweimal berühmt. Glauben Sie‘s mir. Es ist nicht einfach.

Das erste Mal war 1998 – wir (d.h., ich und meine Familie) waren nach vier Jahren aus den USA nach Deutschland (also München) zurückgekehrt. In einem Text, der damals in der Münchener Abendzeitung auf der Seite Drei erschien, schilderte ich ein paar Eindrücke von Deutschland nach der langen Abwesenheit. Zum Beispiel, dass Käpt’n Iglo, der gütige, weißbärtige Matrose auf den Fischstäbchenpackungen einem jungen Armani-Dressman gewichen war, der sich nun als Käpt’n Iglo ausgab. (Ich glaube, der Weißbärtige ist inzwischen wieder da). Oder die Tatsache, dass Frauen ihre Achselhöhlen glatt rasierten. (Diese Intimität hatte ich in der U-Bahn beobachtet, wo Achselhöhlen aller Geschlechtsrichtungen häufig zur Schau gestellt werden). Ich hab mich ebenfalls über unsere neue Nachbarin gestaunt, eine ältere Dame mit lachsfarbigem Haar, die täglich ihre Tür zuknallte, als Protest, dass wir die Dreistigkeit hatten, im Lauf des Tages unsere Wohnungstür mehrmals zu beanspruchen. Sie wollte uns dann weismachen, dass die Hausregeln zu viele Ab- und Zugänge, wie wir tätigten, expressis verbis untersagte. Usw.

Lange Rede, kurzer Sinn. Der Artikel – inklusive Fotos von mir – wurde zum Hit, mit dem Ergebnis, dass ich eine Woche lang von fremden Menschen auf der Straße angehalten und gelobt wurde. Es waren immer liebenswerte Leute, die vielleicht meinten, ich sei auch privat ebenso witzig und unterhaltsam wie im Artikel, was natürlich nicht stimmte. Ich hab mir aber Mühe gegeben, sie nicht zu enttäuschen, was dennoch sehr anstrengend war. Glauben Sie‘s mir.

Zum Glück währte dieser Ruhm nur kurz, und ich war bald wieder wie bisher: ein Unsichtbarer.

Dann wurde ich zum zweiten Mal berühmt. Das war im Jahr 2003. Mein Sachbuch, „Kaspar Hausers Geschwister“, war eben erschienen und wurde von den Medien lobend beachtet: sogar im „Stern“. TV-Auftritte folgten, Interviews usw. Eines Tages war ich zufällig in einer Münchener Buchhandlung. Mir fiel auf, dass eine Frau dabei war, mein Buch zu kaufen. So was freut dem Autor immer. Ich ging aber im Laden weiter. Inzwischen aber hatte sie mich wohl (dank dem Autorenfoto) erkannt und kam zu mir angerannt, um eine persönliche Widmung zu erbitten, was ich auch gerne tat. Man fühlt sich doch geschmeichelt. Trotzdem war es mir peinlich – als hätte mich jemand aus dem Schutz meiner Anonymität gerissen.

Ja, und wie muss es wohl sein, wenn Sie Justin Bieber, Frank Sinatra, Rihanna usw. heißen? Sie werden von ganzen Horden umgarnt – Menschen, die in Ihrer Nähe sein wollen, um Sie anzufassen oder ein Autogramm zu erbetteln. Bald brauchen Sie Leibwächter, die teuer sind, und Strategien, um die Papparazzi zu entfliehen. Ätzend.

Ich komme auf diese Gedanken, weil ich neulich gelesen habe, dass sich sogar Google® wegen seiner Bekanntheit Sorgen macht. Genauer gesagt: Diese Megafirma fühlt sich gar nicht geschmeichelt, dass alle inzwischen die Dinge „googeln“ (Englisch „to google“).

Gleiche Sorgen haben auch andere Firmen, z.B. Tesafilm® oder Tempo® oder Xerox®, weil der Produktname so beliebt ist.

Was ist dabei so schlimm?

Ganz einfach: Wenn ein Firmenname gleichbedeutend mit einem Produkt wird, kommt es vor, dass der Kunde fremdgeht. Er legt sich Papiertaschentücher einer anderen Firma (vielleicht billiger) in den Einkaufswagen und ist trotzdem der festen Meinung, er habe eben Tempos® gekauft. Usw.

Oder er will etwas im Internet recherchieren – sagen wir bei Yahoo® –, und behauptet, er habe die Sache „gegoogelt“.

Deshalb mein ich: Ruhm fordert immer einen hohen Preis.

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